Leseprobe aus dem Roman: LEBENSAUTOBAHN 1 Letzte Ausfahrt Richtung LIEBE

…………… Zurück zum Alltag. Die Büroarbeit erledigte sich an diesem Tag X extrem leicht. Kein Wunder, gedanklich bei Oma und dem langersehnten Candle-Light-Dinner, Herrn Kramer. Ich fieberte dem Feierabend entgegen! Duschen, Haare föhnen, und die berühmte Frage: „Oh Gott! Was ziehe ich denn an?“ Das sich immer wiederholende Frauenchaos brach herein. Kleiderschrank voll, aber nichts ist das Richtige! Ich erinnere mich wie heute: Getragen habe ich den grauen Minirock (Mini bis kurz über dem Knie!), das weinrote enge Seidenshirt, darüber eine transparente weiße, seidene ärmellose Weste mit angedeuteten, hellgrauen Rosen, und meine passenden grauen Schuhe. Ich überlegte kurz, ob es nicht zu gewagt aussah, aber der Rock hatte eine nicht verfängliche Länge und somit beschloss ich, mit diesem Outfit zum Dinner zu flanieren. Meine Kinder hatte ich ins Bett zum Vorlesen mit ihrem Vater verabschiedet und das „Geschäftsessen“ angekündigt. Kein Problem. Mein Mann und ich hatten im April dieses Jahrs beschlossen, dass wir ab dem Monat eine Art WG leben werden, weil ich an einem Sonntagmittag auf die Frage: „Liebst du mich?“, nach langen Gesprächen über unsere Beziehung und Ehe und der Vergangenheit, nur zur Antwort bekam: Nein! Seine Aussage gestattete mir, zu planen. Entscheidungen zu treffen. Der erste Entschluss war, alles auf uns zukommen zu lassen. Entweder entzündet sich wieder die Glut der Ehe. Oder der Weg führt voneinander weg. Wie auch immer. Bei der Heirat hatten wir gemeinsame Ziele, Liebe gelebt. Alles war möglich. Ist ein Feuer einmal erloschen, wird es schwer. Wir lebten WG, die Glut war kalt. Und weil ich jetzt keine Rücksicht mehr nehmen musste, war ich frei, für eigene Entscheidungen, selbstbestimmte Pläne. Ich übernahm die Verantwortung für mein Restleben. Immer in den Planungen miteingeschlossen, die Kinder. Die Einladung von Herrn Kramer war angenommen, kein schlechtes Gewissen meldete sich. Es hatte absolut null Platz! Die Kids bekamen ihren „gute Nacht Kuss“ von der froh gelaunten Mutti und ab ins Auto, Dach auf, Musik von Eros angedreht, und ab zum Dinner. Candle-Light, ich komme!!!

Es war ein irres Glücksgefühl. Ein Gemisch aus: Aufregung, Unbeschwertheit, Schmetterlinge, die erste Verliebtheit, aber ebenso ein wenig Unbehagen, Unsicherheit ob der Geschehnisse, die da kommen werden. Frau macht so etwas ja nicht alle Tage und das letzte Mal war fast 23 Jahre her, mit dem jetzigen Ehegatten. Was ich merkte, war, dass sich meine Seele zum ersten Mal, nach ewig langer Zeit, in Hochstimmung wälzte. Sie war glücklich und frei. Und das Beste daran: Sie war vollständig, bei jedem Gedanken an Herrn Kramer. Wir trafen uns, wie gesagt, nach Feierabend. Er hatte uns ein abseits liegendes, romantisches Restaurant ausgesucht, gelegen zwischen zwei kleinen Vororten unserer Stadt. Ausgemacht war, dass wir uns vorab im nahegelegenen Industriegebiet treffen und gemeinsam dann dort hinfahren. Meiner Ungeduld geschuldet, und weil ich ein überaus pünktlicher Mensch bis, parkte ich längst am verabredeten Ort. Wartete schon eine knappe ½ Stunde auf dem Seitenstreifen des Parkplatzes auf der Hauptstraße Orts auswärts, da erreichte mich eine SMS. Es war eine Nachricht von Herrn Kramer. Er entschuldigte sich schriftlich und teilte mit, dass der vorhergehende Termin sich leider etwas länger hingezogen hatte. Mobiltelefone sind eine tolle Erfindung. Erleichtert dachte ich nur: „Geschäft hat Vorrang!“ Weiter stand geschrieben: Er wäre aber schon im Auto auf dem Weg zum Treffpunkt. Wieder fiel mir ein Stein vom Herzen. Mein Blick in den Rückspiegel verriet mir seine Ankunft. Von Weitem erkannte ich seinen Wagen. Endlich, mit Lichthupe grüßend, kam er angefahren, hielt direkt hinter mir. Die Nervosität stieg enorm, die Knie wurden weich. Mein Gedanke und die Befürchtung, er würde kneifen, waren wie weggeblasen. Wir fuhren hintereinander los, ca. 5 km weiter. Auf der ganzen Fahrt dorthin schaute ich immerzu in den Rückspiegel. Eros sang aus dem Lautsprecher und ich stimmte laut mit ein. Wir fuhren auf den Restaurantparkplatz, parkten, stiegen aus und begrüßten uns mit Handschlag. Es war auf beiden Seiten ein feuchter Händedruck. Das lag nicht am Wetter. „Guten Abend Frau Sehberger. Sie sehen umwerfend aus“, sagte er zur Begrüßung. Sein sanfter Blick ging mir tief unter die Haut. „Guten Abend Herr Kramer. Vielen Dank für das Kompliment. Schön Sie zu sehen“, erwiderte ich. Thomas sah zum Anbeißen aus. Er trug seine blaue Jeans, sein weißes Hemd und das schwarze Sakko, alles neu. Sein Parfüm roch äußerst verführerisch. Ich erkenne ihn selbst heute mit geschlossen Augen. Arm in Arm schlenderten wir zum Restaurant. Gentle like hielt er mir beim Betreten des Lokals die Türe auf. Wir traten ein. Ein Ober geleitete uns zum reservierten Tisch für zwei. Der Raum war blumig geschmückt. Rosen auf jedem Tisch, Kerzenschein und gedämpftes Licht. Wir saßen alleine in dem Raum und hatten eine naturbelassene Aussicht, direkt auf den gegenüberliegenden Wald. Erst später habe ich erfahren, dass er das genauso arrangiert hatte. Er wollte alleine mit mir sein. Nach den ersten Gläsern Champagner zur Begrüßung legte sich die anfängliche Aufregung ein wenig. Der Alkohol löste die Zunge und wir sprachen schon rasch über viele Themata, die uns auf dem Herzen lagen. Wir suchten uns das Menü und den Wein aus und bestellten erstaunlicherweise fast das Gleiche. Aber warum wunderte mich das nicht? Wir lachten herzhaft. Klar gab es den berühmten Champagner ein weiteres Mal vorweg. Das beruhigte die restliche Nervosität auf beiden Seiten. Dieses zweite Glas des vorzüglichen Getränks nutze er, um Brüderschaft zu trinken, und bot mir, mit folgenden Worten, das DU an. „Liebste Frau Sehberger. Ich heiße Thomas,“ sagte er, „und ich nenne sie ab heute Caroline. Der Name klingt wie eine liebevolle Melodie. Du Caroline, sagen wir Du zueinander? Ich würde mich wahnsinnig freuen.“ „Sehr, sehr gerne Thomas“, sagte ich. „Lass uns darauf anstoßen.“ Wir ließen die Gläser klingen und waren ab jetzt nicht mehr Herr Kramer und Frau Seeberger, sondern Thomas und Caroline. Alles war so vertraut, nie anders. Langsam aber sicher steuerte das Gespräch in die vermutete, typische Richtung.

Er erzählte von seiner Frau, mit der er seit Ende der 80iger Jahre verheiratet war. Komisch, genau wie bei mir. Mit jedem Satz erkannte, ja lernte ich nicht nur mehr über seine „Ehe“ kennen, sondern stellte mit Schrecken fest, dass unsere damaligen Partner fast die gleichen Marotten und Charaktereigenschaften hatten. Introvertiertheit gepaart mit großem Schweigen ist eine beziehungstechnisch kontraproduktive Mischung, die uns beiden geselligen, extrovertierten und redseligen Menschen so gar nicht guttat. Aber wer erkennt das schon in jungen Jahren, wenn Mann und Frau auf der Pirsch sind. Alles lässt sich psychologisch begründen und begreifen. Das erfährt Mann und Frau aber erst mit der zunehmenden Lebenserfahrung und dem Alter. Das vermag ich hier nicht weiter vertiefen. Später denkbar. Wir waren demnach mit fast denselben Menschentypen verheiratet. Ist das nicht erschreckend!? Dass es so etwas gibt. Wir sind unabhängig voneinander, an zwei unterschiedlichen Orten ansässig. Lebten das fast absolut identische Leben. Haben Partner mit demselben Wesen bzw. derselben Charaktere geheiratet und das im gleichen Jahrzehnt. Wir haben Kinder bekommen. Alle fast identisch alt. Thomas Hochzeitstag fällt auf den Geburtstag meiner Mutter. Wir saßen am Ehrentag meiner Oma beim Candle-Light-Dinner. Die erste, leider nicht gehaltene Schwangerschaft, war zum gleichen Zeitpunkt ausgerechnet, wie eines seiner Kinder. Wir hörten im Teenageralter dieselbe Musik. Liebten alle Ballsportarten. Teilten die identischen Sehnsüchte, Träume und hatten denselben Fußball Lieblingsverein und vieles mehr. Das glaubt einem kein Mensch, diese Vielzahl der Gemeinsamkeiten. Selbst wir trauten unseren Gedanken, Erzählungen und Gefühlen nicht und waren seltsam berührt. Am Anfang seiner Ausführungen hatte ich den Verdacht und kurz überlegt: „Na ja, Frust in der Ehe und er braucht Abwechslung.“ Aber nach den ersten offenen, intimen und vertrauensvollen Gesprächsthemen war alles klar, so innig, authentisch und ehrlich, dass man die Situation des jeweils anderen selbst nur zu gut empfand und verstand. Das erfindet man nicht, diese Parallelen. Thomas kannte mein Leben bis dato nicht und ich nicht seins. Wie kommen diese „Zufälle“ zustande? Wenn wir hier überhaupt von Zufällen reden? Ich nannte es Bestimmung! Waren wir etwa schon immer füreinander auserkoren? Esoterik Fans sagen sofort: Ihr habt das gleiche Karma und seid hundertprozentig eine Einheit! Esoterik, wer daran glaubt! Aber zurück zu unserem Dinner. Schon bei der Vorspeise, einem Krabbencocktail, aßen wir vertraut vom Löffel des anderen, ohne groß darüber nachzudenken. So wie alte Freunde eben, die sich alles erzählen, anvertrauen und sich ewig kennen. Ja, das Gefühl, uns schon lange freundschaftlich verbunden zu sein, war intensiv da. Wir schauten uns in die Augen, erkannten und lasen jeweils die Seele des anderen. Wahrlich, es lag nicht am Champagner oder dem leckeren Rotwein. Ich glaube, wir könnten die ganze Nacht dort sitzen und philosophieren. Die Zeit verging aber leider zu schnell. Schade! Endlich reden. Endlich jemand haben, der zuhört, der sich in den anderen hineinfühlt und denkt. Oh je, war das lange her, wenn man das überhaupt jemals in der Form erlebt hatte. Ich glaube, das ist nicht vielen Menschen im Leben gegönnt. Drei Stunden waren seit dem ersten Glas Champagner vergangen, bis das Dessert kam. Das Ende kündigte sich an. Wir waren zu dem Zeitpunkt schon so vertraut. Meine Seele sprach: Dieser Abend wird nie enden! Thomas Rückreise dauerte aber fast 1 Stunde mit dem Wagen. Daher läuteten wir schweren Herzens den Abschluss des Essens mit einem Aperitif ein. Ganz Gentleman, zahlte er die Rechnung. Er half mir in meinen Sommermantel und wir schlenderten zum Ausgang. Frische Abendluft wehte durch mein Haar. Das Parfüm verbreite meinen Duft und gelangte in Thomas Nase, der direkt spürbar hinter mir stand. Er ergriff meine Hand, hielt sie fest, schaute mir tief in die Augen und sagte: „Lass uns zum Wagen gehen, aber langsam, ja. Dieser Abend darf nicht enden!“ Seine Hand in meiner schlenderten wir bedächtig auf den Parkplatz zu. An unseren Autos angekommen blieben wir wortlos wie angewurzelt stehen. Keiner sagte ein Wort des Abschieds. Die Atmosphäre knisterte, war voller Spannung. Mein Herz pochte unüberhörbar. Jeder von uns zögerte die Verabschiedung hinaus. „So, jetzt muss ich aber leider los“, sagte er und nahm mich Hals über Kopf, wie der Erwartung entsprechend, in den Arm, sah mir tief in die Augen und küsste mich nach einigem Zögern auf die Wange. Seine Augen glänzten, sein lächeln erotisierte, verlangte nach mehr. Er verharrte mit einem fragenden, gar fordernden, tiefen Blick. Er wartete förmlich auf eine Reaktion von mir. Es war für mich ein langes, wohliges und warmes Gefühl in seinen Armen. Mein Herz fragte über die Stimme direkt: „Nur ein Kuss auf die Wange?“ Indem ich es aussprach, bereute ich, es gesagt zu haben. Wir waren verheiratet und ich hatte meinen Vorsatz: keinen Betrug in der Ehe, niemals einen Kollegen und nie einen Ehemann. Zu spät. Das Wort Wange war beim letzten Buchstaben „e“ angekommen, da fühlte ich seine Lippen auf meinen. Warm, weich und voller Emotion öffnete er seinen Mund und ließ es geschehen. Dieser Kuss war so innig, so hingebungsvoll, dass er mir bis heute in der Erinnerung ist und mir wie eine halbe Ewigkeit vorkam. Das Gefühlsgemisch aus Emotionen, Wärme, Zärtlichkeit, und Vertrautheit – ja heute nenne ich es Liebe – das ich wahrnahm, so ein Gefühl der Leidenschaft hatte ich nie. Seine warmen Lippen lagen sanft auf meinen. Unsere Zungen berührten sich und lösten ein unvorstellbares Herzbeben im ganzen Körper aus. Die Sinne schwanden. Wir verschmolzen für einen Bruchteil zu einer Symbiose – zur Einheit. Wir vergaßen Raum und Zeit. Mein einziger Gedanke war: „Bitte lass es ewig dauern!“ Nach diesem atemberauschenden Kuss schauten wir uns für einen Augenblick nur schweigend tief in die Augen. Es war um mich, es war um uns geschehen. Mein Gott, wie konnte dieser Mann küssen. Wir verharrten eng umschlungen. Nur der warme Abendwind umspielte unsere Silhouetten. Eine gefühlte Ewigkeit später durchbrach seine erotische Stimme die Stille der Nacht und er sagte. „Ich muss los. Bis morgen Caroline und fahre vorsichtig. Ich werde an meine Seele denken!“ „Ich an dich“, erwiderte ich, völlig überwältigt von den Gefühlen. Das ist Liebe! Dann stiegen wir in unsere Wagen und fuhren ein Stück in die gleiche Richtung. Den ganzen, kurzen gemeinsamen Weg waren meine Blicke, die Blicke in den Rückspiegel. Thomas, ein letztes Mal vor dem kommenden Morgen sehen. Sei es nur kurz im Spiegel. So oft, wie auf der Strecke, sah ich nie in den rückwärtigen Spiegel. Nach dem Herzereignis ist jetzt nichts mehr wie vorher. Ein wohliges Gefühl verteilte sich im ganzen Körper. Ein Gemisch aus schweben, Lebendigkeit, Himmel Hoch jauchzend im Liebestaumel war in meinem Herzen. Verliebt war ich jetzt. Voller Liebe. So schwebt man auf Wolke 7 durch das Universum. Schwerelos frei und unendlich glücklich, vollständig. Ein letzter Blick in den Rückspiegel, ein kurzes Winken aus dem Seitenfenster beim Vorüberfahren, dann nach links, die Abfahrt Richtung Heimat. Welche Heimat?

In jedem Anfang wohnt ein Zauber inne ……

Wirre Gedanken flogen mir durch den Kopf, oh Mann. Alle meine Vorsätze waren dahin! Ist es das, für das ich es halte, Liebe? Spielt er mit mir? Meint er es so, wie ich es verspürte? Zu Hause angekommen kroch ich ins Bett und lag dennoch lange wach. Zu vorgerückter Stunde, mit der Vorfreude auf Thomas, schlief ich dann beseelt ein.

Der nächste Tag war nicht mehr wie alle Vorherigen. Diese, meine Welt war eine vollkommen neue! Es passierte ohne Plan, zu einem Zeitpunkt, an dem niemand damit gerechnet oder gar gesucht hatte. Es ist völlig rätselhaft. Es gibt dir jede Menge Kraft. Die Sucht nach ihm und das Beben in meinem Körper, beim Gedanken an diesen Mann ist grenzenlos. Das ist der Moment, der Augenblick, an dem sich dein ganzes Leben dreht, ändert und nichts mehr ist, wie es war. Man versucht, davor zu fliehen. Jeder Fluchtversuch ist aber vergebens. Das Feuer der Liebe übermannt einen und es ist der schönste Augenblick, wenn man den Menschen seines Lebens in den Armen hält und ihn nie mehr loslässt.